Weniger People Pleasing, 
mehr Self Pleasing

Das Bedürfnis, es allen recht zu machen, kann für junge Juristinnen eine erhebliche Herausforderung darstellen. Diese als „People Pleasings“ bekannte Tendenz ist weit verbreitet und oft tief in unserem Verhalten verankert.

Was ist People Pleasing?

Vielleicht kennst du die Situation: Es ist Freitagabend und du freust dich auf dein Wochenende. Da kommt deine Chefin ins Büro und bittet dich, noch diese eine Aufgabe zu erledigen. Obwohl du dich gleich mit Freunden auf einer Veranstaltung verabredet hast, sagst du automatisch zu. Nein zu sagen, eigene Bedürfnisse zu priorisieren oder einfach mal gegen den Strom zu schwimmen, fällt vielen schwer – im beruflichen wie im privaten Kontext. Gerade für People Pleaser ist die Vorstellung, andere zu enttäuschen oder Konflikte auszulösen, oft eine große Hürde. Aber was genau steckt hinter diesem Verhalten? Und ist es möglich, diese Gewohnheit zu verändern?

People Pleasing ist ein Entscheidungsmuster, das davon ausgeht, dass die Bedürfnisse anderer immer Vorrang haben. Jede Entscheidung wird daraufhin abgewogen, ob sie anderen gefallen oder missfallen könnte. Menschen, die andere ständig zufriedenstellen wollen, vermeiden Konflikte um jeden Preis, um die Harmonie nicht zu gefährden.

Typische Glaubenssätze von People Pleasern sind: „Ich muss immer offen, hilfsbereit und positiv gegenüber anderen sein.“ „Ich darf nie Nein sagen oder widersprechen.“ „Ich muss immer von allen akzeptiert und gemocht werden.“ „Ich muss immer darauf achten, was andere gerade erwarten und brauchen.“ „Ich darf nie meine eigenen Bedürfnisse in den Vordergrund stellen – die der anderen sind wichtiger.“

Nele Jacobs, Professorin für Psychologie an der Brussels School of Governance, beschreibt People Pleaser als Chamäleons: „People Pleaser passen sich so stark den Wünschen anderer an, dass sie ihre eigene Identität verlieren. Sie richten ihr Verhalten ständig nach den Maßstäben anderer aus und verlieren ihren eigenen Kompass.“

 
Ist People Pleasing immer schlecht?

People Pleaser verfügen oft über ausgeprägte soziale Antennen und eine hohe emotionale Intelligenz, die ihnen ermöglicht, unausgesprochene Stimmungen und Zwischentöne in Gruppen wahrzunehmen. Sie sind oft exzellente Dienstleister, die Harmonie suchen und Konflikte diplomatisch schlichten können.

Durch ihre starke Orientierung an den Bedürfnissen anderer können People Pleaser aber auch schlecht für ihre eigenen Bedürfnisse sorgen, klare Standpunkte vertreten und sich abgrenzen. Das Vermeiden von Konflikten erschwert ehrliche und konstruktive Gespräche, und Kritik wird oft persönlich genommen, was zu Unsicherheit und Unzufriedenheit führen kann. Das ständige Bestreben, es allen recht zu machen, kann zudem zu Stress, mentaler Belastung und psychischen sowie psychosomatischen Erkrankungen führen.

People Pleasing ist übrigens nicht mit Altruismus gleichzusetzen. Altruisten machen andere gerne glücklich und fühlen sich durch deren Dankbarkeit motiviert. Bei People Pleasern hingegen ist die treibende Kraft die Angst: Die Angst, dass andere sie ablehnen könnten, wenn sie nicht mehr gefallen.

 
Bin ich ein People Pleaser?

Um herauszufinden, ob und in welchem Ausmaß du zum People Pleasing neigst, lohnt sich ein Blick auf deine sogenannten „Inneren Antreiber“. Dieses Konzept stammt aus der Transaktionsanalyse des amerikanischen Psychologen Eric Berne. Bei People Pleasern ist der Antreiber „Mach es allen recht“ sehr stark ausgeprägt.

Bitte beantworte hierzu die folgenden zehn Fragen intuitiv:

 

Die Aussage trifft auf mich zu…

…voll und ganz = 5 Punkte
…gut = 4 Punkte
…etwas = 3 Punkte
…kaum = 2 Punkte
…gar nicht = 1 Punkt

  1. Ich fühle mich dafür verantwortlich, dass diejenigen, die mit mir zu tun haben, sich wohl fühlen.
  2. Ich sage oft mehr, als eigentlich nötig wäre.
  3. Es ist für mich wichtig, von den anderen akzeptiert zu werden.
  4. Ich versuche oft herauszufinden, was andere von mir erwarten, um mich danach zu richten.
  5. Es ist wichtig, von anderen zu erfahren, ob ich meine Sache gut gemacht habe.
  6. Ich stelle meine Wünsche und Bedürfnisse zugunsten derjenigen anderer Personen zurück.
  7. Es ist mir unangenehm, andere Leute zu kritisieren.
  8. Bei Diskussionen nicke ich häufig mit dem Kopf.
  9. Ich sage eher: „Könnten Sie es nicht einmal versuchen?“ als „Versuchen Sie es einmal.“
  10. Ich bin diplomatisch.

 

Bei einem Wert ab 30 zeigt sich der Antreiber bereits deutlich in deinem Verhalten. Liegt er zwischen 40 und der Maximalpunktzahl 50, kann dies ein Hinweis darauf sein, dass dieses Verhaltensmuster dich im Alltag stark beeinträchtigt.

 
Strategien, um People Pleasing zu überwinden

Natürlich ist es super, anderen zu helfen, Verantwortung zu übernehmen und ein echter Teamplayer zu sein. Aber wenn du es allen recht machen willst und dabei deine eigenen Bedürfnisse vergisst, ist das weder erfüllend noch gesund. Genau hier setzt eine gesunde Selbstführung an: Sie hilft dir, in belastenden Momenten besser zu reagieren.

 

Wie findest du als People Pleaser zu dir selbst zurück?
  • Selbsterkenntnis: Erkenne und akzeptiere im ersten Schritt, dass du zum People Pleasing neigst. Das ist der erste Schritt, um daran etwas zu ändern.
  • Eigene Bedürfnisse kennenlernen: Du kümmerst dich oft um die Wünsche anderer und stellst deine eigenen hinten an. Aber kennst du eigentlich deine wahren Bedürfnisse? Nimm dir Zeit, dich selbst besser kennenzulernen und deine Bedürfnisse klar zu definieren. Erstelle hierzu am besten eine Bedürfnisliste und versuche, sie anschließend aktiv in deinen Alltag zu integrieren.
  • Erlauber: Stell deinem inneren Antreiber „Mach es allen recht!“ einen sog. „Erlaubersatz“ entgegen. Wie wäre es mit: „Meine Bedürfnisse sind genauso wichtig.“ oder „Ich darf auch mal an mich denken.“? Formuliere Sätze, die zu deinen Herausforderungen passen, und sag sie dir in stressigen Momenten, um dich selbst zu erlauben, aus dem automatischen Reagieren auszusteigen.
  • Grenzen setzen: Lerne, gesunde Grenzen zu setzen. Das bedeutet auch, mal Nein zu sagen, ohne dich schuldig zu fühlen. Denke daran: Ein Nein zu anderen kann ein Ja zu dir selbst sein! Versuche dabei, empathisch Nein zu sagen und gleichzeitig die Bedürfnisse des anderen nicht zu ignorieren. Mein Tipp: Übe das Nein-Sagen zuerst in weniger kritischen Situationen und beobachte, wie du und andere darauf reagieren. Dies stärkt dein Selbstvertrauen, größere Schritte zu wagen.
  • Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen: Manchmal kann auch die Unterstützung durch einen Coach oder Therapeuten hilfreich sein, besonders wenn das People Pleasing tief verwurzelt ist.
 
Fazit

People Pleasing mag dir kurzfristig als einfache Lösung erscheinen, um Konflikte zu vermeiden und Harmonie zu wahren. Doch der Preis ist hoch: Wenn du deine eigenen Bedürfnisse ständig zurückstellst, riskierst du Stress, Erschöpfung und am Ende vielleicht sogar das Gefühl dafür, wer du wirklich bist.

Es ist nicht leicht, dieses Verhaltensmuster hinter sich zu lassen – aber es lohnt sich. Den Mut zu finden, deine Grenzen zu setzen und deine Bedürfnisse ernst zu nehmen, ist ein erster Schritt hin zu mehr Zufriedenheit und langfristigem beruflichen Erfolg. Indem du lernst, bewusst Entscheidungen zu treffen, stärkst du nicht nur dein Selbstbewusstsein, sondern auch deine Karriere. Du wirst feststellen: Wenn du dir selbst treu bleibst und deine eigenen Wünsche respektierst, entwickelst du eine innere Stärke, die deine Karriere und dein Leben positiv beeinflusst. Denn nur wer sich selbst führen kann, ist in der Lage, andere zu führen.

Denke daran: Ein Nein zu anderen kann ein Ja zu dir selbst sein! Versuche dabei, empathisch Nein zu sagen und gleichzeitig die Bedürfnisse des anderen nicht zu ignorieren.

Anna von Troschke

Als erfahrene Business Coach und Trainerin hat sich Anna auf die Unterstützung von (angehenden) Juristinnen und Juristen in den Bereichen Persönlichkeitsentwicklung und Karriereplanung spezialisiert. Mit mehr als zehn Jahren Erfahrung als Rechtsanwältin und Inhouse-Juristin verfügt sie über fundierte Branchenkenntnisse, die sie in ihren Coachings und Trainings effektiv einsetzt.