Ein Berufseinstieg als Juristin bietet viele Wege – aber welcher passt wirklich zu dir? Dieser Leitfaden hilft dir mit Tipps, Erfahrungen und Reflexionsfragen, um deinen idealen Karriereweg zu finden und berufliche Entscheidungen mit Klarheit und Selbstvertrauen zu treffen.
Zu wissen, welche Stelle die „Richtige“ ist, fällt vielen am Anfang der juristischen Laufbahn schwer – das ging mir genauso. Heute bin ich Syndikusrechtsanwältin in einem internationalen Unternehmen und arbeite dort zu Themen wie Forschung & Entwicklung, IT und E-Commerce. Es ist für mich die ideale Stelle, weil ich hier in einem großen Team sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch arbeiten kann, im wirtschaftlichen Kontext tätig bin und in spannende Projekte eingebunden werde. Doch bis ich an diesen Punkt kam, war es ein Weg mit vielen Stationen. Auch ich wusste nach dem Studium und dem Referendariat nicht genau, welcher Karriereweg zu mir passt, welche meiner Fähigkeiten ich in der Praxis am besten einsetzen kann und welche Umgebung mit meinen Werten und Bedürfnissen übereinstimmt.
Mit diesem Artikel möchte ich euch auf diesem Weg begleiten und euch dabei helfen, euren eigenen Traumjob zu finden. Oft entdeckt man nämlich erst nach mehreren beruflichen Stationen, was einem wirklich Freude bereitet und welche Art von Job zu einem passt.
Im Jurastudium und Referendariat lernt ihr die gesamte Bandbreite der Rechtswissenschaften kennen – von Strafrecht über öffentliches Recht bis hin zum Zivilrecht. Die juristische Ausbildung in Deutschland ist unglaublich umfassend und theoretisch, und für viele von uns wird erst im Referendariat der Bezug zur Praxis hergestellt. Doch selbst dann bekommt man oft nur punktuelle Einblicke in verschiedene Bereiche und hat vielleicht noch keine klare Vorstellung davon, wo die eigene Reise hingehen soll. Diese Unsicherheit ist ganz normal, und vielleicht fragt auch ihr euch, wie ihr herausfindet, was wirklich zu euch passt.
Eines der schönsten Dinge am Jurastudium ist die Vielzahl an beruflichen Möglichkeiten. Von klassischen Rollen bis hin zu eher ungewöhnlichen juristischen Positionen – es gibt viele Wege, die ihr einschlagen könnt. Hier ein kurzer Überblick:
Justiz – Richterin oder Staatsanwältin: Eine Karriere als Richterin oder Staatsanwältin bietet die Möglichkeit, Verantwortung im öffentlichen Dienst zu übernehmen. Hier trefft ihr Entscheidungen mit großer Tragweite. Diese Laufbahn ist sehr verantwortungsvoll und bietet eine gewisse Stabilität, aber sie verlangt auch eine hohe persönliche Einsatzbereitschaft.
Rechtsanwältin in einer Großkanzlei: Großkanzleien gelten als prestigeträchtiger Karriereweg für Juristinnen. Hier arbeitet ihr an anspruchsvollen und oft internationalen Mandaten. Der Berufsalltag kann jedoch durch lange Arbeitszeiten und hohes Tempo herausfordernd sein. Diese Position erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und Energie.
Rechtsanwältin in einer mittelständischen Kanzlei oder selbstständig: Für viele Juristinnen bietet eine mittelständische Kanzlei eine gute Work-Life-Balance und spannende Mandate. Manche entscheiden sich auch für die Selbstständigkeit, was eine große Unabhängigkeit ermöglicht, aber auch Unternehmergeist und Eigenverantwortung verlangt.
Syndikusanwältin in einem Unternehmen: Ihr könntet euch auch – wie ich – für eine Rolle als Syndikusanwältin entscheiden. Dies ist ideal für Juristinnen, die im wirtschaftlichen Kontext arbeiten und eng mit verschiedenen Abteilungen zusammenarbeiten möchten. Der Alltag in einem Unternehmen ist abwechslungsreich und projektorientiert, oft mit geregelteren Arbeitszeiten als in einer Kanzlei.
Justiziarin in einer Behörde oder Institution: Für Juristinnen mit Interesse am Staatswesen und an der Gesellschaft ist eine Position in einer Behörde eine Option. Hier tragt ihr durch eure Arbeit zum Gemeinwohl bei und profitiert von einer geregelten Arbeitsumgebung.
Neben den klassischen Berufen gibt es für Juristinnen noch viele weitere Möglichkeiten, in anderen Feldern aktiv zu sein und die juristische Expertise auf kreative Weise einzusetzen:
Legal Tech und digitale Innovation: Die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen und Chancen. Wenn ihr euch für Technik interessiert, könnt ihr im Bereich Legal Tech arbeiten und beispielsweise selbst an der Entwicklung von Software für juristische Dienstleistungen mitarbeiten. Hier verschmelzen juristische und technologische Kenntnisse zu einem innovativen Berufsfeld.
Politik und NGOs: Juristinnen mit Interesse an politischen Themen oder sozialem Engagement können für NGOs oder im politischen Bereich tätig sein. Hier könnt ihr eure rechtlichen Kenntnisse für gesellschaftlich relevante Projekte nutzen.
Journalismus und Medien: Mit juristischer Expertise im Journalismus könnt ihr komplexe rechtliche Themen für ein breites Publikum aufbereiten. Auch in der Medienberatung werden häufig Juristinnen gebraucht, die rechtliche Themen verständlich vermitteln können.
Aber wie kommt ihr jetzt zu eurer Traumstelle? Hier sind einige Tipps und Schritte, die mir persönlich auf meinem Weg sehr geholfen haben:
Eigenreflexion: Fragt euch, welche Aspekte der juristischen Arbeit euch wirklich Spaß machen. Wollt ihr oft vor Gericht stehen oder euch in die Tiefen des Vertragsrechts begeben? Möchtet ihr eigenverantwortlich arbeiten oder lieber im Team? Stellt euch Fragen zu euren Werten und Wünschen in einem Job, z. B. ob Work-Life-Balance, Sicherheit oder die Arbeit mit Menschen für euch wichtig ist.
Praktika und Nebentätigkeiten: Falls ihr noch im Studium oder Referendariat seid, nutzt jede Gelegenheit, um Einblicke in die Praxis zu bekommen. Durch Praktika und Nebentätigkeiten könnt ihr verschiedene Berufsfelder kennenlernen und herausfinden, wie der Arbeitsalltag in einer Kanzlei, einem Unternehmen oder einer Behörde wirklich aussieht.
Networking und Mentoring: Netzwerke wie die Paragraphinnen bieten euch eine wertvolle Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen und von erfahrenen Juristinnen zu lernen. Gespräche mit Mentorinnen und Mentorinnen helfen euch, praktische Einblicke in deren Berufsalltag zu gewinnen. Nutzt auch LinkedIn und Xing, um Kontakte zu pflegen, und besucht Karrieremessen oder -veranstaltungen.
Flexibilität und Mut zur Veränderung: Habt den Mut, auch mal den Bereich zu wechseln. Nicht jede Entscheidung muss dauerhaft sein. Vielleicht stellt ihr fest, dass euch ein anderes Arbeitsumfeld besser entspricht – das ist vollkommen in Ordnung und sogar oft hilfreich.
Vertraut auf eure Fähigkeiten und seid mutig: Ihr habt das Studium und Referendariat geschafft, und das zeigt, dass ihr für Herausforderungen gewappnet seid. Vertraut darauf, dass ihr den für euch passenden Weg findet, wenn ihr offen bleibt und bereit seid, Erfahrungen zu sammeln.
Die Suche nach dem richtigen Berufsfeld ist ein Prozess, der Zeit braucht. Seid geduldig mit euch und nutzt jede Gelegenheit, um mehr über euch selbst und die juristischen Möglichkeiten herauszufinden. Es gibt keine Abkürzung – aber mit Geduld, Offenheit und ein wenig Mut könnt auch ihr eure Traumstelle finden. Egal, ob ihr in der klassischen Kanzlei, im Unternehmen oder in einem ganz anderen Feld landet: Das Wichtigste ist, dass der Job zu euren Werten, Fähigkeiten und Zielen passt.
Ich hoffe, dass euch diese Tipps weiterhelfen und wünsche euch viel Erfolg auf eurem persönlichen Weg!
Die Suche nach dem richtigen Berufsfeld ist ein Prozess, der Zeit braucht. Seid geduldig mit euch und nutzt jede Gelegenheit, um mehr über euch selbst und die juristischen Möglichkeiten herauszufinden.
Katharina Ernstberger
Katharina Ernstberger ist Legal Counsel Digital & Innovation und Syndikusrechtsanwältin der PUMA SE. Sie berät dort u.a. zu digitalen Themen und Innovation in der Produktentwicklung. Zudem ist sie engagiertes Teammitglied der Paragraphinnen.