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Zwischen Examensstress & Familienglück – ein Erfahrungsbericht über Vereinbarkeit & Mut

Zwei Staatsexamen mit Kleinkindern? Für viele unvorstellbar, für Lena Gottschalk Realität. In diesem Interview verrät sie, wie sie Studium, Referendariat und Familienleben unter einen Hut brachte – und was sie anderen Juristinnen rät, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Du hast beide Staatsexamen mit Kleinkindern absolviert – eine enorme Belastung. Wie hast du Beruf, Familie und Examensvorbereitung organisiert, und was rätst du Müttern im Jurastudium, die ähnliche Herausforderungen meistern müssen?

Ja, das stimmt, es war eine enorme Herausforderung. Auf der anderen Seite ist die Familie auch immer mein größter Antrieb. Die Lernzeit ist begrenzt und darum würde ich allen anderen Eltern raten, den Fokus auf das Wichtigste zu lenken. Ich habe nie ein Lehrbuch in der Examensvorbereitung durchgearbeitet, weil mir da schlichtweg die Zeit fehlte. Stattdessen habe ich mir die Theorie aus bereits kompromittierten Skripten erarbeitet, selbst Zusammenfassungen geschrieben oder auch mit Audiocards beim Spaziergang gelernt. Das Schreiben der Übungsklausuren kann man aber nicht umgehen. Darum würde ich auch hier den Tipp geben, so viele wie möglich in den eigenen Alltag zu integrieren. Bei mir war das dann meistens am Wochenende der Fall oder auch während der Schlafzeiten meiner Kinder.

 

Welche Rolle spielen Netzwerke für deinen eigenen Weg – und wie können sie Juristinnen helfen, die noch am Anfang stehen?

Netzwerke spielen eine super wichtige Rolle! Der Austausch mit Menschen, die in ähnlichen Situationen sind, kann enorm bereichernd sein. Ich war selbst während des Referendariats in einem Mentoringprogramm und hab sehr viele tolle Frauen kennengelernt. Und es kann auch motivieren, sich an Menschen zu orientieren, die den gleichen Weg bereits gegangen sind. Ich kannte leider keine andere Mama im Studium oder Ref, mit der ich mich hätte austauschen können. Darum ist es mir auch so wichtig, in der Öffentlichkeit darüber zu sprechen. Wir müssen zeigen, dass Vereinbarkeit auch in der Examensvorbereitung möglich ist.

 

Gab es Momente in deiner Karriere, in denen Zweifel aufkamen– und wie hast du daraus neue Stärke gewonnen?

Zweifel waren während meines Studiums ein ständiger Wegbegleiter. Mir fehlte der Austausch. Im Repetitorium ging es dann häufig darum, wer am meisten Zeit in der Bibliothek verbrachte. Dann fielen noch Sätze wie: „Ich kenne niemanden mit guten Noten, der dafür nicht sein Leben aufgegeben hat“. Aber das ist schlichtweg falsch. Das wusste ich dann, als die Ergebnisse der schriftlichen Klausuren veröffentlicht wurden. Daraus habe ich gelernt, dass es nichts bringt, sich mit anderen zu vergleichen. Jeder meistert eigene Herausforderungen. Hier ist ein unterstützender und verständnisvoller Ton hilfreich und kein Überbieten, wer mehr Klausuren schreibt oder Ähnliches.

Wie strukturiert du deinen hohen Workload möglichst effizient, hast du Tipps für uns?

Mein Mann und ich teilen uns die Care-Arbeit zu gleichen Teilen auf. Wir besprechen jeden Sonntag, was die kommende Woche ansteht und erstellen einen Familienplan. Der erste Tipp lautet also Struktur. Auf der anderen Seite muss man flexibel bleiben und bestenfalls für alles einen Plan B haben. Da das aber nicht immer möglich ist, habe ich noch einen dritten Tipp: Den Perfektionismus ablegen. Ich liebe meine Familie und meine Arbeit. Gleichzeitig ist es essenziell, sich selbst nicht zu viel Druck zu machen. Es ist ok, wenn die Küche mal nicht aufgeräumt ist. Es ist ok, wenn sich die Wäsche mal stapelt. Ich habe glückliche Kinder, mit denen ich viel Zeit verbringe und eine sinnstiftende Arbeit. Das ist (für mich) das, was zählt.

 

Wie können Mentoring-Programme dazu beitragen, die von dir angesprochene “17 %-Partnerschaftslücke” für Frauen zu schließen? Welche Erfahrungen hast du bereits aus Mentoring-Programmen gewonnen?

Auf der Partnerebene in Kanzleien gibt es gerade einmal 17 % Frauen. Das ist, meiner Meinung nach, ein strukturelles Problem. Gerade die juristische Branche war sehr lange männerdominiert. Ich bin froh, dass sich das inzwischen geändert hat, was zumindest die Absolventinnen und Associates betrifft. Auf Partnerebene besteht das Problem jedoch nach wie vor. Nun darf man nicht außer Acht lassen, dass Partnerernennungen nicht von heute auf morgen passieren. Darum dauert es auch seine Zeit, bis der Wandel sich auch dort bemerkbar macht. Dennoch könnten wir hier schon deutlich weiter sein. Für mich ist es ein absolutes No-Go, wenn große Kanzleien stolz ihre neuen Partner präsentieren und Frauen entweder gar nicht oder nur minimal vertreten sind. Hier ist es wichtig, eine Awareness für dieses Thema zu schaffen. Wir müssen darüber sprechen und diskutieren.

Mentoring-Programme sind sehr wertvoll, um Vorbilder sichtbar zu machen. Gerade im Studium oder Referendariat kann man schnell mal das Ziel vor Augen verlieren. Hier hilft, sich Vorbilder zu suchen, die das Ziel schon erreicht haben. In meinem Mentoring-Programm habe ich zwei großartige Anwältinnen als Mentorinnen kennengelernt. Der Austausch war für mich immer sehr inspirierend und ist es auch heute noch.

 

Welchen Satz möchtest du allen Juristinnen mitgeben, die ihren eigenen Weg zwischen Karriere, Familie und gesellschaftlichem Engagement suchen?

Ihr müsst euch nicht entscheiden!

Es ist ok, wenn die Küche mal nicht aufgeräumt ist. Es ist ok, wenn sich die Wäsche mal stapelt. Ich habe glückliche Kinder, mit denen ich viel Zeit verbringe und eine sinnstiftende Arbeit. Das ist (für mich) das, was zählt.

Lena Gottschalk

Lena ist Volljuristin und hat während des Studiums eine Familie gegründet. Das erste Staatsexamen hat sie mit der Note „Gut“, dem Landeslistenplatz 3, abgeschlossen. Im Referendariat hat sie dann ihr zweites Kind bekommen und die Anwaltsstation in einer Großkanzlei unmittelbar nach dem Mutterschutz absolviert. Nun meistert sie gerade ihren Berufseinstieg bei ARKTIK Legal und arbeitet dort als Anwältin, sobald ihre Zulassung vorliegt.