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Zwischen Green Trade, Familie & Großkanzlei

Eva Ritte beschreibt ihren heutigen Schwerpunkt im Bereich Green Trade bei GvW Graf von Westphalen als ideale Verbindung aus juristischer Tiefe, politischer Einbettung und internationaler Perspektive.

Dein Lebenslauf zeigt ein durchgängiges Interesse an sozialen und grünen Themen. Auch bei GvW Graf von Westphalen setzt du dieses im Bereich Green Trade fort. Was hat dich zu dieser juristischen Spezialisierung gebracht?

Die Frage finde ich gar nicht so leicht zu beantworten. Wahrscheinlich war es eine Kombination von Faktoren, zu der intrinsisches Interesse, Schwerpunktsetzung in der Ausbildung, aber definitiv auch Glück und Zufall gehören. In meiner aktuellen Position kann ich tatsächlich sehr viel von dem vereinen, was meinen beruflichen Werdegang bisher geprägt und ausgemacht hat. Ich arbeite an sehr nerdig-juristischen Themen, die gleichzeitig eine starke politische Einbettung und eine europäische bzw. internationale Dimension haben.

Der Bereich „Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ bzw. „Business and Human Rights“ war aber keinesfalls ein lange angestrebtes Endziel von mir. Er interessiert mich sehr und passt aktuell gut. Es gibt aber auch andere Themen mit rechtlicher, politischer und internationaler Komponente, die mich perspektivisch als Arbeitsschwerpunkt interessieren könnten. Gerade im Bereich Außenwirtschaftsrecht und internationaler Handel ist ja aktuell superviel in Bewegung. Hier setzt GvW Graf von Westphalen und insbesondere unsere Praxisgruppe einen starken Schwerpunkt.

Du engagierst dich auch stark im djb (Deutscher Juristinnenbund e.V.). Was bedeutet Dir diese Arbeit persönlich – und was empfindest du dabei als besonders wichtig?

Ich liebe den djb, anders kann man es wirklich nicht sagen. Durch die schwersten Phasen der juristischen Ausbildung bin ich glaube ich tatsächlich nur durchgekommen, weil ich bei diversen djb-Abenden durch die ganzen inspirierenden Begegnungen mit Gleichgesinnten Kraft und Energie schöpfen konnte. Zu sehen, was für tolle Juristinnen es gibt und was diese mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement alles bewegen, war für mich immer das Größte. Ich habe, unter anderem durch das djb-interne Mentoring Programm, unglaublich tolle Vorbilder kennenlernen dürfen.

Im Berliner Landesverband haben wir außerdem seit vielen Jahren einen sehr großen und aktiven Kreis von jungen Juristinnen im djb (die sogenannten „JuJus“), deren Co-Ansprechpartnerin ich für eine Legislaturperiode war. Diese Arbeit und der Austausch mit anderen, die vor denselben Herausforderungen stehen, hat mir auch immer enorm geholfen. Man berät sich gegenseitig, unterstützt sich und stärkt sich den Rücken. Aktuell bin ich noch „reguläres“ Mitglied unseres Berliner Landesvorstands. Neben Vollzeitjob und Familie finde ich aber leider nicht immer genug Zeit für ein besonders „starkes“ Engagement, wie Ihr es in Eurer Frage formuliert.  

Gibt es eine Erfahrung in Deiner juristischen Laufbahn, die Dich besonders geprägt hat – vielleicht auch in Deiner heutigen Arbeitsweise?

Da gab es ganz sicher einige. In meiner Arbeitsweise sehr geprägt haben mich jedenfalls meine Stationen im Büro der damaligen Staatssekretärin Dr. Margaretha Sudhof, erst im BMJ(V) und dann im BMVg. Durch die Schnelllebigkeit der Arbeit des politischen Tagesgeschäfts im Zusammenspiel mit dem hohen Anspruch meiner Vorgesetzten an Genauigkeit und Präzision hatte ich hier die wahrscheinlich steilste Lernkurve meines Lebens. Es war fantastisch. Seitdem bringt mich nichts mehr so schnell aus der Ruhe.

Wie gelingt dir der Spagat zwischen Arbeit in einer Großkanzlei und Familienleben?

Ganz ehrlich: es ist total schwierig. Und da ich erst seit zwei Jahren Mutter bin (bald von zwei Kindern), wachse ich aktuell auch noch in diese nach wie vor neue Situation herein. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich jedenfalls folgende Faktoren als entscheidend identifiziert:

  • Das unmittelbare Arbeitsumfeld und die oder der direkte Vorgesetzte. Ich habe mit meinem Set-Up bei GvW Graf von Westphalen das in der Kanzleiwelt eher unübliche große Glück, dass mir sehr viel Vertrauen entgegengebracht und Freiheit zugestanden wird. Im Gegenzug versuche ich, immer alle Termine und Reisen möglich zu machen, arbeite regelmäßig auch am späteren Abend (etwa als Ausgleich für einen freien Nachmittag), übernehme viel eigene Verantwortung usw. Die Zusammenarbeit mit meiner direkten Chefin Dr. Annika Bleier – übrigens auch ein tolles Vorbild – funktioniert auf dieser Basis super und findet auf Augenhöhe statt, was ich als großes Privileg empfinde. Ich weiß, dass so etwas nicht in jeder Kanzlei möglich wäre.
  • Den eigenen Partner bzw. die Partnerin. Wenn in einer Beziehung beide Karriere machen möchten, muss man meines Erachtens ein extrem gutes Projektmanagement-Team sein. Care Arbeit muss fair aufgeteilt werden und Kompromisse sind natürlich an der Tagesordnung.
  • Weitere externe Unterstützung. Diesen Spagat als Paar nur zu zweit zu wuppen, ist allerdings auch illusorisch. Familiäre oder anderweitige Unterstützung, auf die man sich verlassen kann, ist von unschätzbarem Wert. 
 
Du hast neben deinen beiden Staatsexamina auch ein Bachelor- und Masterstudium im Bereich International Relations and Affairs absolviert. Was hat Dich dazu bewogen, diesen Weg zu gehen, und welche zusätzlichen Perspektiven sowie Vorteile bringen Dir diese Zusatzqualifikationen in Deiner juristischen Laufbahn? Würdest Du Dich auch heute noch wieder dafür entscheiden?

Ich wollte nach dem Abitur gerne etwas Politisches und Internationales studieren und habe mich deshalb für den Bachelor im Fach „Internationale Beziehungen“ entschieden. Jura kam erst später dazu, parallel zu meinem Master dann. Im Bachelor hatten mich die Kurse zu Europa- und Völkerrechtlichen Themen besonders interessiert. Aus diesem Grund wollte ich mich gerne juristisch weiterbilden. Und weil Jura in Deutschland ja immer noch tendenziell eine „Ganz oder Gar Nicht“-Ausbildung ist, kam im Anschluss eins zum anderen und mein anfängliches Studien-Experiment verselbstständigte sich bis hin zum zweiten Staatsexamen. Es ist also eigentlich so, dass Jura meine Zusatzqualifikation zum Bachelor und Master IB ist, und nicht andersherum 🙂 Bereut habe ich das nie, weil die juristischen Staatsexamina (teils ungerechtfertigterweise, wie ich finde) in Deutschland einfach die absoluten Türöffner sind, und weil ich sehr gerne juristisch arbeite.

Den Bachelor und Master hätte ich mir – rein auf dem Papier – für meine aktuelle Position auch sparen können. Ich bin aber trotzdem froh, beides gemacht zu haben. Im Laufe der Ausbildung habe ich tolle Menschen kennengelernt, mit denen ich bis heute eng verbunden bin. Ich habe wissenschaftliches Arbeiten gelernt, was in der juristischen Grundausbildung ja keine sonderlich große Rolle spielt. Und vor allem habe ich viel mehr und abwechslungsreichere Arbeitserfahrung gesammelt, als ich das in der reinen Jura-Ausbildung getan hätte.

Zum Schluss: Hast Du einen persönlichen Herzenstipp für junge Juristinnen, die gerade erst ins Studium oder Berufsleben starten – vielleicht auch etwas, das Du gerne früher gewusst hättest?

Kommt in den djb! 🙂 Und für diejenigen, die wie ich nicht aus klassischen Akademiker*innen-Haushalten kommen: Sucht Euch ein Stipendium! Es gibt so viele Möglichkeiten, so viel finanzielle und andere Unterstützung und so tolle Netzwerke. Hier hätte ich von einigem gerne früher gewusst.

Eva Ritte

Eva Ritte ist Rechtsanwältin und Senior Associate bei der Kanzlei GvW Graf von Westphalen. Als Mitglied des „Green Trade Teams“ beschäftigt sie sich insbesondere mit Rechtsfragen rund um unternehmerische Sorgfaltspflichten in globalen Lieferketten. Neben Jura studierte sie im Bachelor und Master das Fach Internationale Beziehungen und sammelte vielfältige Berufserfahrung an der Schnittstelle zwischen Politik und Recht.