Zwischen Paragraphen & pain au chocolat – Ein Auslandsaufenthalt in Frankreich voller Hürden & Highlights

Alexandra Fokin, Jurastudentin an der FAU in Erlangen, gibt ehrliche Einblicke in ihren Auslandsaufenthalt – zwischen neuen Lehrmethoden, kulturellen Unterschieden und Herausforderungen im Studienalltag. Sie erzählt, was wirklich hinter den Kulissen eines Auslandssemesters steckt – persönlich und inspirierend.

“Mama, was mache ich eigentlich, wenn ich eine Zusage bekomme?” Nach meinem Bewerbungsgespräch für das Programm „Deutsch-Französisches Recht” stand ich im April 2021 genau vor dieser Frage. Das in Kooperation mit der Université de Rennes 1 angebotene Studienprogramm vereint ein reguläres deutsches Jurastudium mit einem eineinhalbjährigen Studienaufenthalt in Frankreich und ermöglicht es den Studierenden, innerhalb von fünf Jahren einen deutsch-französischen Doppelabschluss zu erwerben. Natürlich war ich begeistert – aber war ich wirklich bereit, drei Semester im Ausland zu verbringen?

Von der Bewerbung zur Wirklichkeit

Nur wenige Stunden nach meinem Bewerbungsgespräch trudelte die Zusage ein. Ich war gerade mit einer Freundin in der Stadt unterwegs, als die E-Mail kam. Ich blieb kurz stehen, las die Nachricht und meinte nur: „Oh. Ich hab die Zusage.“ Meine Freundin sah mich an, schüttelte den Kopf und sagte: „Du darfst ruhig ein bisschen stolz sein.“ Also gönnten wir uns einen Aperol – nicht, weil es ein großer Meilenstein war, sondern weil kleine Erfolge eben auch gefeiert gehören.

Ab September 2022 würde ich für drei Semester an der Université de Rennes studieren und leben. Im Rahmen desStudienprogramms wurde man bei der Vorbereitung wirklich gut unterstützt: Es gab bereits einen Kontakt zum Wohnheim, und auch die Einschreibung an der Uni wurde uns praktisch abgenommen – das ist definitiv einer der großen Pluspunkte des Programms. Der Austausch hatte bereits mit dem vorherigen Jahrgang begonnen und so konnten wir uns eine ganze Reihe an Tipps abholen. Von der Möglichkeit eines Wohngeldes oder auch der Notwendigkeit einer Kreditkarte.

Abfahrt Rennes: Aufbruch ins Unbekannte

Schneller als gedacht waren die Koffer gepackt – und das Abenteuer konnte beginnen. Ich war voller Vorfreude, aber hatte auch mit viel Respekt vor dem, was da auf mich zukam. Doch schon am ersten Orientierungstag kam die Ernüchterung: Mein eigentlich solides Schulfranzösisch reichte längst nicht aus, um einer Vorlesung komplett folgen zu können. Ebenfalls ungewohnt: Die Professorinnen stellten keinerlei begleitendes Material zur Verfügung – weder Folien noch Skripte. Die Vorlesungen erinnerten eher an ein einziges, großes Diktat. Anfangs war das total überwältigend, aber nach und nach habe ich mich daran gewöhnt. Und zum Glück waren meine Mitstudierenden super hilfsbereit – ich konnte immer nach ihren Mitschriften fragen.

Alltagssprache statt Schulfranzösisch

Ich glaube, den Sprachwechsel habe ich am meisten unterschätzt. Im Französischunterricht in der Schule fiel es mir nie schwer, einfach draufloszureden. Aber wenn man dann in der Bäckerei steht und selbstbewusst ein Baguette und ein Croissant bestellen will – und plötzlich kommen die Worte nicht raus – dann kann ich ehrlich sagen, dass das frustrierend ist. Aufgeben kam für mich aber nie infrage. Irgendwann habe ich jede Gelegenheit genutzt, um auf Französisch zu sprechen. Im Wohnheim gab es eine Reinigungskraft, Laurence, mit der ich oft gesprochen habe. Sie hatte immer ein offenes Ohr für die Sorgen der Studierenden und gleichzeitig konnte ich so mein Französisch verbessern. Und wenn ich mal nicht mitkam, weil ein Franzose in einem Tempo gesprochen hat, das ich wahrscheinlich auch auf Deutsch kaum verstanden hätte, kam oft die Frage: „Sollen wir auf Englisch wechseln?“ Meine Antwort war dann stets: „Nein, bitte sprechen Sie nur ein bisschen langsamer.“ 

Kopfzerbrechen auf Französisch: Vom Gutachtenstil zum Kommentar

Doch nicht nur die Sprache stellte sich als Herausforderung heraus – auch das Studiensystem war ganz anders, als ich es aus Deutschland kannte. Statt freier Kurswahl und lockerer Strukturen gab es einen festen Stundenplan, und Anwesenheit war kein Kann, sondern ein Muss. Ausreden? Zwecklos – nur mit ärztlichem Attest! Ich glaube, das kennt jede:r unter uns: Man geht in eine Vorlesung oder Übung, lässt sich ein bisschen berieseln und nimmt sich zwar vor, die Fälle vorher durchzuarbeiten – aber gerade in den ersten Semestern bleibt es bei dem Vorsatz. In Frankreich war das keine Option. Die aktive Mitarbeit floss direkt in die Note ein, und in den Übungen wurde erwartet, dass man vorbereitet erscheint. Zusätzlich mussten regelmäßig schriftliche Arbeiten eingereicht werden – mal wurden sie spontan eingesammelt, mal an vorher angekündigten Terminen. Je nachdem, wie freundlich oder streng die Übungsleitung war, konnte man sich also entweder vorbereiten – oder wurde manchmal kalt erwischt. Als deutsche Jurastudentin kam ich dann auch noch mit völlig neuen Prüfungsformaten in Berührung: dem commentaire d’arrêt (einem Urteilskommentar) und der Dissertation (eine Art Essay). Klingt kompliziert? War’s auch. 

Anfangs war ich oft verunsichert und spürte diese leise Sorge, nicht den richtigen Weg zu finden. Immer wieder fragte ich mich: Wie soll ich das bitte schaffen? Und genau in diesen Momenten wünschte ich mir plötzlich den Gutachtenstil zurück – den Stil, den ich jahrelang als einengend und lästig empfunden hatte. Aber plötzlich schien mir diese vertraute Struktur fast tröstlich, als wäre sie ein stiller Begleiter, der mir wenigstens ein kleines Stück Sicherheit geben konnte. Zum Glück zeigten einige Übungsleiter viel Verständnis für uns ausländische Studierend und stellten uns unterstützende Materialien zur Verfügung – andere wiederum waren weniger nachsichtig.

Wenn aus Mitstudierenden Verbündete werden                                                                   

Und trotzdem – was mir am meisten geholfen hat: Ich war nicht allein. Irgendwann wurde mir klar, dass ich so nicht weitermachen konnte, weil die Unsicherheit und das ständige Grübeln immer mehr Raum eingenommen haben. Ich fühlte mich müde und irgendwie festgefahren, ohne wirklich einen klaren Plan zu haben. Ich habe mir eine Leidensgenossin gesucht, mit der ich nicht nur gemeinsam in die Bib gegangen bin, sondern auch ein kleines „Überlebenssystem“ entwickelt habe. Unsere Strategie? Kaffeepausen mit ehrlichen Analysegesprächen, gegenseitiger Rückhalt und das gemeinsame Ziel, Lernen nicht nur mit Druck zu verbinden. Was mir in dieser Zeit besonders klar geworden ist: Es ist völlig normal, wenn nicht alles sofort rund läuft. Die meisten Dinge brauchen einfach Zeit – besonders dann, wenn man sich in ein neues System einfinden muss. Sich das immer wieder vor Augen zu führen, war für mich ein echter Gamechanger.

Kaffee, Markt und Muffins: Kleine Fluchten, große Wirkung                                                        

Nach langen Bib-Tagen haben wir uns regelmäßig im Columbus Café am Place Saint-Anne einen Kaffee und einen Muffin gegönnt. Von dort aus hatten wir eine schöne Sicht auf den lebendigen Platz und die beeindruckende Kirche – ein kleiner, ruhiger Moment mitten im Trubel, der uns Kraft gegeben hat. Irgendwann kannten sie uns dort schon beim Namen – und manchmal stand unsere Bestellung sogar schon bereit, wenn wir reinkamen. Jeden Samstag ging es auf den Markt, es wurden frische Blumen gekauft, ein Kaffee getrunken und so die Batterien der Woche wieder aufgeladen. Kleine Rituale, die den Unterschied gemacht haben – weil sie uns daran erinnert haben, dass im Studienalltag auch Platz für kleine Pausen, Genuss und Normalität sein darf. Gerade in einer neuen Umgebung waren das die Momente, die den Alltag ein Stück leichter gemacht haben.

Herausforderung angenommen – und gemeistert                                                           

Rückblickend war diese Zeit von zahlreichen Hürden und Unsicherheiten geprägt. Dennoch möchte ich die Erfahrung nicht missen, denn sie hat mir gezeigt, dass man – so klischeehaft es auch klingen mag – an seinen Herausforderungen wächst. Ich habe gelernt, …

  • mich selbst besser einzuschätzen und meine Grenzen zu erkennen,
  • geduldiger mit mir zu sein und auch kleine Fortschritte wertzuschätzen,
  • kreative Lösungen zu finden, wenn der klassische Weg nicht funktioniert,
  • den Wert echter Zusammenarbeit zu schätzen und zu erkennen, wie wichtig gegenseitige Unterstützung ist,
  • und vor allem: Durchzuhalten, auch wenn es mal schwer wird.

Diese Erkenntnisse begleiten mich bis heute und geben mir die Zuversicht, dass jede Herausforderung eine Chance ist – eine Chance, stärker, klüger und selbstbewusster daraus hervorzugehen.

Alexandra Fokin

Alexandra Fokin studiert Rechtswissenschaften im Studienprogramm Deutsch-Französisches Recht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Besonderes Interesse gilt dem Arbeitsrecht im nationalen wie auch internationalen Kontext. Sie ist seit Mai 2025 Teammitglied bei den Paragraphinnen.