Frau Dr. Strößner blickt auf eine beeindruckende Laufbahn in der bayerischen Polizei zurück – vom Zufall zur Berufung, über Führungsverantwortung, Muttermilch im Kaffee und warum sich junge Frauen mehr zutrauen sollten.
Frau Dr. Strößner, Sie haben eine beeindruckende Karriere in der bayerischen Polizei und im Verfassungsschutz hinter sich. Was hat Sie dazu bewegt, diesen juristischen Weg einzuschlagen?
Ich bin 1994 eher durch Zufall auf eine ausgeschriebene Stelle als Sachgebietsleiterin für Disziplinar- und Schadenssachbearbeitung und juristische Angelegenheiten bei der Bayerischen Bereitschaftspolizei hingewiesen worden und habe die Stelle dann auch bekommen und mich von Anfang an wohlgefühlt. Es hatte halt wirklich gar nichts mit dem zu tun, was ich im Jurastudium gelernt hatte. Aber es war sehr abwechslungsreich und spannend. Deshalb bin ich im Polizeibereich geblieben.
Sie haben als Personalchefin der Bayerischen Polizei und als Vizepräsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz gearbeitet. Welche Erfahrungen haben Ihre aktuelle Rolle als Polizeipräsidentin geprägt?
Die Tätigkeit im Bayer. Staatsministerium des Innern als Personalchefin der bayerischen Polizei – einer Organisation mit über 40.000 Beschäftigten – hat meine Tätigkeit als Führungskraft und Leitung einer Behörde sehr geprägt. Viele Themen und Probleme kannte ich deshalb schon und weiß auch, wie man damit umgeht.
Als Polizeipräsidentin hat man sowohl die Verantwortung für alle internen Abläufe als auch für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Schutzbereich. Das ist eine permanente Belastung, es sind immer nur die schwierigeren Fragen, die an einen herangetragen werden. Dabei helfen alle bereits gemachten Vorverwendungen!
Ich war fünf Jahre außerhalb des Staatsdienstes als Geschäftsführender Vorstand bei einer Stiftung tätig, die eine Klinik betrieben hat. Die da gemachten Erfahrungen waren auch wertvoll.
Inwiefern, denken Sie, hat Ihre Erfahrung als Mutter Ihre Führungsqualitäten beeinflusst – beispielsweise in Bezug auf Empathie, Entscheidungsfindung oder Konfliktlösung im Team?
Als berufstätige Mutter ist man in der Regel sehr gut organisiert und kann gut Prioritäten setzen. Sonst schafft man die Vereinbarung der beiden fordernden Aufgaben nicht.
Tatsächlich habe ich aber weniger im Beruf von der Mutterrolle profitiert als umgekehrt. Durch die berufliche Tätigkeit habe ich in manchen Krisensituationen daheim mehr Resilienz und Kommunikationsfähigkeit aufgebracht als ohne entsprechende Erfahrungen.
Gibt es ein bestimmtes Erlebnis oder eine Anekdote, die für Sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Ihrer speziellen Situation besonders gut veranschaulicht?
Es gibt viele lustige oder auch schräge Erlebnisse, die mir in Erinnerung geblieben sind. Aber am eindrucksvollsten war für mich eine Situation kurz nach Rückkehr in den Dienst nach der Geburt meines ersten Kindes:
Ich habe damals noch gestillt und im Büro meine Milch abgepumpt und in eine kleine Flasche abgefüllt und in den Bürokühlschrank gestellt. Genau dieses Fläschchen stand dann durch ein Versehen meiner Assistentin bei einer Besprechung neben der Kaffekanne auf dem Tisch und alle anwesenden Herren haben sich meine Muttermilch in den Kaffee geschüttet. Es war eine seltsame Situation…
Frauen in Führungspositionen sind immer noch rar. Hatten Sie das Gefühl, sich für Ihr Fortkommen in der männerdominierten Polizeiwelt noch mehr ins Zeug legen zu müssen als Ihre männlichen Kollegen?
Nein, ich habe mich nie in Konkurrenz zu den Kollegen gesehen und immer Freude an meiner Tätigkeit gehabt. Deshalb gab es auch kein Wetteifern um eine höhere Stelle. Ich war immer ich selbst und hatte das Glück, das meine Leistungen erkannt und geschätzt worden sind.
Allerdings habe ich als Juristin bei der Polizei vom ersten Tag an eine Führungsposition gehabt und hatte eine gute Ausgangsposition. Das ist mit der Situation der Kolleginnen, die im Vollzugsdienst ihren Weg machen, nicht ganz vergleichbar.
Ist der „Branchenwechsel“ von der Polizei zu einer anderen Landes- oder auch Kommunalbehörde problemlos möglich? Eine entsprechende freie Stelle natürlich vorausgesetzt!
Als Volljuristin hat man die Möglichkeit zwischen verschiedenen Positionen im Verwaltungsdienst oder bei der Justiz. Um im Polizeivollzugsdienst bei der Polizei tätig sein zu können, braucht man eine zusätzliche Qualifizierung um die Laufbahnbefähigung zu erwerben.
Ich könnte also jederzeit von der Polizei in eine andere Funktion wechseln, aber im Gegenzug kann nicht jeder Jurist aus der Verwaltung eine Stelle im Polizeivollzugsdienst übernehmen.
Welchen Ratschlag haben Sie für junge Frauen, die eine Karriere im öffentlichen Dienst oder in der Polizei anstreben?
Traut es euch zu! Wenn ihr gerne mit Menschen arbeitet und die Abwechslung liebt, seid ihr bei der Polizei richtig! Es ist schon lange kein reiner Männerberuf mehr.
Ich kann allen jungen Menschen – Männern und Frauen gleichermaßen – den Polizeibereich – egal ob Vollzug oder Verwaltung – nur empfehlen! Es ist unheimlich vielseitig und interessant. Es ist kein typischer Bürojob, weil man immer wieder auch bei Einsätzen dabei sein kann. Es ist ein tolles Miteinander und der Aufgabenbereich ist immer aktuell und sinnstiftend. Wir sind im Team Garant für die Sicherheit der Menschen. Wir schützen und helfen.
Ich persönlich bin sehr stolz, Teil dieser Organisation zu sein!
Traut es euch zu! Wenn ihr gerne mit Menschen arbeitet und die Abwechslung liebt, seid ihr bei der Polizei richtig! Es ist schon lange kein reiner Männerberuf mehr.
Dr. Claudia Strößner
Claudia Strößner, 58 Jahre alt, ist seit fast 5 Jahren Leiterin des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West. Sie hat in München und Regensburg Jura studiert und ist seit 1994 Beamtin des Freistaates Bayern in den verschiedensten Verwendungen. Sie ist verheiratet und hat zwei fast erwachsene Kinder.